Metropolregion Jing-Jin-Ji: Chancen und Herausforderungen für deutsche Unternehmen Exklusiv
Von Elke Lütke-Entrup, Beijing
Das im Jahr 2015 von Staats- und Parteichef Xi Jinping angekündigte Projekt ?Jing-Jin-Ji“ – von Beijing, Tianjin und dem Kurznamen der Provinz Hebei (Ji) – soll zu einer Neugliederung der wirtschaftlichen und administrativen Zust?ndigkeitsbereiche im Gro?raum Beijing führen. Tianjin soll sich auf Produktion und Handel, Hebei auf Landwirtschaft und Wohnraum und Beijing auf Forschung und Kultur konzentrieren. Durch ein weit verzweigtes Netz von Hochgeschwindigkeitszügen soll sich die Fahrtzeit zwischen den einzelnen Subzentren auf unter eine Stunde verkürzen. Im Gespr?ch mit China.org.cn spricht Sabine Dietlmeier, Gesch?ftsführerin der German Industry and Commerce Greater China GmbH, des deutschen Verbindungsbüros zu den Au?enhandelskammern in China, über Hintergründe und Perspektiven des Projekts.
China.org.cn: Frau Dietlmeier, was müssen deutsche Unternehmen über Jing-Jin-Ji (JJJ) wissen?
Sabine Dietlmeier:Chinas Urbanisierung entwickelt sich seit den 1980er Jahren vom Süden in Richtung Nordosten. Die erste Megametropolregion entstand am Perlflussdelta um das Fischerdorf Shenzhen, gefolgt von der Wirtschaftsmetropole Shanghai am Jangtse. Dort entwickelte sich in den vergangenen 30 Jahren im Bezirk Pudong Chinas Finanzzentrum.
Das Bev?lkerungswachstum in Chinas St?dten ging dort mit einer wirtschaftlich guten Entwicklung einher. Im Jahr 1950 lebten ca. 11 Prozent der chinesischen Bev?lkerung in St?dten, aktuell sind es 56 Prozent. Prognostiziert wird ein Anstieg auf bis zu 67 Prozent im Jahr 2025.
St?dte sind Knotenpunkte für wirtschaftliche und technologische Entwicklungen sowie den kulturellen Austausch. Dort k?nnen aber auch soziale Widersprüche wachsen und Umweltbedingungen sich verschlechtern. Die chinesische Regierung f?rdert die Urbanisierung deshalb mit einem langfristigen ?eco-cities”-Konzept. Hierzu geh?rt die Megametropolregion JJJ. Ziele sind die Schaffung einer verbundenen Metropolregion nach modernsten Standards, die Entlastung der Kernstadt Beijing, die Verteilung qualifizierter Arbeitspl?tze in umliegende Regionen sowie die Reduzierung der Umweltbelastung. Die ersten Bauprojekte starteten 2015, vor allem im Ausbau der Infrastruktur.
Der neue Beijinger Hauptstadtflughafen liegt mit vier Start- und Landebahnen in Daxing, einem Vorortbezirk an der Grenze zur Provinz Hebei rund 50 Kilometer südlich der Beijinger Innenstadt. Er soll über eine eigens angelegte Autobahn sowie per U-Bahn und Schnellzug zügig erreichbar sein. Die Er?ffnung ist für Ende 2019 geplant und es werden bis zu 100 Millionen Passagiere abgefertigt werden k?nnen – fast doppelt so viele wie am gr??ten deutschen Flughafen in Frankfurt/Main. Die Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke von Beijing nach Tianjin sowie die H?fen am Meer sind gut erreichbar. Insgesamt soll JJJ rund 130 Millionen Menschen beherbergen.
Sabine Dietlmeier, Gesch?ftsführerin der German Industry and Commerce Greater China GmbH
Welche Auswirkung hat JJJ für die dort ans?ssigen deutschen Unternehmen?
Die rapide Urbanisierung ist eine der gro?en Herausforderungen. Die St?dte kommen an ihre Grenzen, strapazieren die Ressourcen des Landes und führen zu schlechteren Umweltbedingungen. Im Norden Chinas zeigt sich das durch den manchmal smogverhangenen Himmel. Der Norden, traditionell eine Basis für die Schwerindustrie, hat Nachholbedarf beim Einsatz neuer Technologien für eine umweltfreundliche Produktion. Besonders Unternehmen, welche die Umwelt durch Kohlenstoffaussto? sowie hohen Wasser- und Stromverbrauch belasten, sind betroffen. Bei Neuansiedlungen erhalten nicht-gewollte Branchen keine Gründungsgenehmigung mehr. Die metallverarbeitende Industrie kann sich zum Beispiel nicht mehr in Beijing ansiedeln. Mehr Standortverlagerungen sind die Folge. In den vergangenen Jahren gab es mindestens drei deutsche Unternehmen, die wegen der neuen JJJ-Politik ihre Standorte von Beijing nach Tianjin oder Hebei verlagern mussten.
Welche Vorteile hat die Verlagerung von Firmenstandorten innerhalb von JJJ für die Unternehmen?
Die Auslandshandelskammer Nordchina hat rund 570 Mitglieder, davon mehr als 80 Prozent in der Region JJJ. Einige haben ihre Standorte in Langfang, auf halber Strecke zwischen Beijing und Tianjin. Sie berichten uns von guten Bedingungen, vor allem was die Verkehrsinfrastruktur betrifft und die geringeren Kosten au?erhalb der Tier-1-St?dte wie Beijing. Au?erdem bestehen Gesch?ftschancen im Hinblick auf Infrastruktur, energieeffiziente Geb?ude, Gesundheitsversorgung, Aus- und Weiterbildung sowie Handel. Geringere Faktorkosten im Vergleich zu Beijing und verbesserte Lebensbedingungen für Mitarbeiter k?nnen sich profitabel auswirken.
In der künftigen Sonderwirtschaftszone ?Xiongan“ in der Region, die eine Fl?che von zun?chst 100 Quadratkilometern umfassen wird, sollen die ?ffentliche Verwaltung Beijings, Einrichtungen der Gesundheitsversorgung und Bildungsinstitutionen Platz finden. In Wissenschafts- und Technologieparks sollen sich Unternehmen der ?Green“- und Hightech-Branchen ansiedeln. Für deutsche Unternehmen ergeben sich dort zum Beispiel im Bereich der Energieeffizienz und nachhaltigen Bautechnik Gesch?ftsm?glichkeiten.